Die gängigen und allgegenwärtigen Klischees zur Mongolei betreffen nicht mehr nur die Lebensweise der Viehzüchter, als sozusagen die letzten Nomaden dieser Erde, sondern mittlerweile auch andere Bereiche des Lebens.
Persönlich halte ich nicht allzu viel von der Verbreitung der Mongoleiklischees, weil sie bei genauerem Hinsehen oft nicht zutreffen oder nur zu einem Teil die Realität abbilden. Das geht eigentlich schon bei dem zitierten letzten Nomaden los, der zum Beispiel im Changai zwei, dreimal im Verlaufe eines Jahres den Standort seiner Jurte wechselt und dabei kaum drei Kilometer zurücklegt, wohlgemerkt immer auf die gleichen Plätze die er schon seit Jahren dafür nutzt.
Das Klischee, das ich hier mal aufgreifen möchte, beschäftigt sich aber mit einem moderneren Problem. ein Thema in dem sozusagen der Zeitgeist dankbar immer wieder und oft medienwirksam die Überweidung, Versteppung oder gar die drohende Wüstenbildung in der Mongolei aufgreift. Ich habe lange überlegt, ob ich meine Beobachtungen dazu aufschreibe, gleichwohl es eben nicht die Beobachtungen sind, die die internationalen Medien so gern weiterkopieren und die auch in der Mongolei eifrig gepflegt werden und die sich so schön einbauen lassen, in die Geschichte der Zerstörung der Natur durch die Zivilisation. Natürlich können mich meine, zugegeben subjektiven Beobachtungen, auch täuschen und vielleicht gibt es auch Wissenschaftler, die sich jetzt tatsächlich entsetzen darüber, aber wenn man mal die Veröffentlichungen hernimmt, die diese Versteppung immer wieder beteuern, da wird auch einfach nur etwas behauptet, bzw. wird abgeschrieben, was jemand irgendwann gemeint hat. Insofern glaube ich meine eigenen Beobachtungen sind da ein nicht viel schlechterer Beleg für eine Gegenthese.
Meine Eindrücke stützen sich dabei auf den Vergleich bestimmter Orte, die ich auf den Touren über die Jahre immer wieder besucht habe und auch auf den Vergleich von Fotos über die Jahre geschossen. Diese, so mein Eindruck, bestätigen die offizielle These nicht. Ich glaube auch, dass es objektive Gründe gibt, warum das eigentlich so pauschal nicht stimmt. Da ist zum einen das Sommerwetter der letzten Jahre, wir hatten noch vor 10 Jahren wenig Probleme mit aufgeweichten Pisten und Landregen im Juli und August, ich kann mich kaum an einen Regen früher erinnern, der mal einen ganzen Tag angedauert hätte, heute sind diese langsamen Regen, wie man sie in der Mongolei bezeichnet einfach mit im Programm und der Himmel ist wahrlich nicht immer blau. Ich glaube auch mich zu erinnern, dass man in den mittelgroßen Flüssen des Nordens und des Changai eigentlich fast immer Baden konnte, heute führen sie oft das etwas trübe Wasser nach ergiebigen Regenfällen. Kurzum es scheint zumindest so, dass die Steppe in der zentralen und nördlichen Mongolei im Moment genug Niederschlag bekommt als das man eine akute Zunahme der Wüste befürchten müsste. In der Zone der Gebirgswaldsteppe, also im Changai, dem Khentij oder allgemein dem Norden, deutet alles auf eine Zunahme der Vegetation hin. Als ein Beispiel würde ich mal eine Beobachtung aus diesem Jahr bemühen. Im südlichen Changai, zwischen Zuunbayan Ulaan und Bat Ulzij, haben wir noch bis vor ein paar Jahren nördlich des Passes auf Kurzgraswiesen die Zeltplätze aufgeschlagen, heute stehen an der gleichen Stelle Edelweiß, Nelken, Trollblumen und andere teilweise bis kniehoch und an den Waldrändern breiten sich erste Büsche aus. Hier kommt zu den Niederschlägen und der geringeren Sonneneinstrahlung noch ein anderer wichtiger Fakt hinzu, die Jurten sind weiter talwärts gezogen, nicht viel, aber soweit, dass das Mobilfunknetz des Kreiszentrums erreichbar geworden ist und mit den Jurten sind auch die Bergwiesen nach unten gewandert. Die sichtbare Konzentration der Jurten hin zu Wegen und zur Mobilfunkabdeckung ist unübersehbar. Sie führt sicherlich wiederum zu einer Überlastung der Weideflächen in diesen Bereichen, aber demgegenüber steht eine weitaus größere Entlastung anderswo.
Eine gleiche Beobachtung habe ich oberhalb des „Orchon“- eigentlich Ulaan Gol, Wasserfalles gemacht. Etwa 15 Kilometer oberhalb, auf der nördlichen Seite des breiten Tales stehen heute auch keine Jurten mehr dauerhaft und die Bergwiesen sind ein Blumenteppich.
Dort wo die reine Steppe und die Gebirgswaldsteppe um die Dominanz ringen, also etwa nördlich der Hauptstadt in Richtung Selenge oder auch an solchen kleinen Gebirgen wie dem Khugene Khaan, kann man eine andere Erscheinung feststellen, die Birken als Pionierpflanzen in den unteren und Randlagen sterben ab und Kiefern ersetzen sie.
Ich will an Hand dieser Beispiele keine komplette Gegenthese zur Versteppungstheorie aufstellen, aber ich bin eigentlich davon überzeugt, dass umgekehrt der Prozess der Wüstenbildung nicht wirklich stattfindet. Es macht sich natürlich ganz gut, wenn die Regierung demonstrativ ihren Kabinettstisch auf den Rand einer Sanddüne stellt und dort medienwirksam eine Sondersitzung vorführt in dem die Mongolei als Opfer der Klimaveränderung anklagt, aber mit der Realität hat das definitiv nichts zu tun zumal die wenigen Sanddünen in der Gobi eher das Produkt von Wind, Temperaturschwankungen und geologischen Prozessen sind und weniger was mit fehlenden Niederschlägen zu tun haben. Wenn in der derzeitigen Situation in der Mongolei Schäden an der Vegetation zu beklagen sind, dann weniger durch das Klima als vielmehr die punktuelle Überweidung, aber die kann man getrost als begrenztes Problem sehen, denn im Moment folgt der Konzentration von Vieh an der einen Stelle in der Regel der Rückzug aus entlegeneren Lagen und das Interesse der Viehalter die Bestände weiter zu erhöhen sinkt mittlerweile auch wieder, weil der Absatz stagniert, nicht zuletzt, weil Hühnchen bei KFC und Pizza ohne Hammelfleisch auskommen.