Die aberwitzigen Bauprojekte aus UB

 stadt-510.jpg

Nachdem für Oberschichtenwohnviertel ganze Täler geopfert werden, will die Regierung nun auch aus Ulaanbaatar rausziehen

Im Sommer 2011 hatte ich das Vergnügen in ein Projektbüro in Ulaanbaatar eingeladen zu werden, dass sich mit der Planung einer Studentenstadt beschäftigte.

Es war eine staatliche Einrichtung, die im Auftrag des Bildungsministeriums halb privatwirtschaftlich, halb behördlich agierte. Im Büro erwarteten mich ein paar Mitarbeiter an weitgehend leeren Schreibtischen, lediglich ein älterer Mann mit kariertem Hemd und Strickjacke bemühte sich gerade mit Lineal und Bleistift in einer topografischen Karte eine Gefällestrecke zu ermitteln. Ihm gegenüber saß ein junger Mensch im glänzenden Anzug und beschäftigte sich permanent mit seinem iPhon.

Mein Gesprächpartner, der Chef des Büros, empfing mich mit den leider so typischen philosophischen Phrasen, die zumindest schlechte mongolische Verwaltungsbeamte so ständig an den Mann bringen wollten. Der eigentliche Schatz der Mongolei sei nicht, wie alle Denken, im Boden versteckt, sondern in den Köpfen der jungen Leute und er sei mit seinem Projekt sozusagen der Bergmann des Wissens. Da ich die Mongolei und seine hohen Beamten seit vielen Jahren kenne, hat mich das recht wenig beeindruckt und ich wollte relativ schnell zur Sache kommen. Er führte mich dann an ein Modell auf dem zahllose Holzklötzchen verschiedene Gebäude darstellen sollten. Solche Modelle waren im ehemaligen Ostblock sehr beliebt, da man damit den Parteifunktionären in einer recht primitiven Form die Ausmaße eines Großprojektes veranschaulichen und für Zustimmung werben konnte. Neben einer Unmenge von Quadern für verschiedenartige Gebäude konnte man natürlich auch Sportanlagen, ein Stadion, Parkanlagen, ein Schwimmbad und Veranstaltungsgebäude erkennen. Interessant war, dass es sich nicht um einen neuen Stadtteil von Ulaanbaatar handeln sollte, nein es sollte eine neue Stadt werden. Eine Studentenstadt ungefähr dreißig Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Hier wollte man also all das, was man in Ulaanbaatar an Problemen seit Jahren nicht in den Griff bekommt mit einem Schlag von Anfang an gelöst haben.

In diesem elitären Stadtsatelliten sollten zukünftig alle Studenten der Mongolei, alle Hochschulen und Universitäten samt ihren Dozenten, Mitarbeitern und deren Familien, also einhunderttausend Menschen leben. Der Chef war unglaublich begeistert von diesem Projekt und schwärmte davon, dass damit die Mongolei zur Wissenschaftsnation aufsteigen würde. Ich sah die Sache allerdings etwas anders und konnte mir den Gedanken nicht verkneifen, dass irgendwelche Leute einfach wollten, dass ihre Kinder ihr Studium abseits des Blickes auf Jurtensiedlungen, ohne Verkehrsstau und Smog im Winter, in einer Umgebung genießen können, die keine sozialen Verwerfungen zeigt und in der die Armut einfach draußen bleibt.

Mit gefiel also das Projekt vom ersten Moment an nicht, ich versuchte aber dennoch hinter ein paar Zahlen und Fakten zu kommen. Das war aber fast unmöglich. Der Chef kannte noch eine große Gesamtsumme, das waren 3,6 Milliarden USD, das wäre Bildung schon wert, wie er sagte. Mir schien das für den mongolischen Staatshaushalt eine geradezu utopische Größenordnung, wo bisher die größten staatlichen Infrastrukturprojekte im unteren zweistelligen Millionenbereich enden.  Auf die Frage, wie lange an dem Projekt gebaut werden sollte, meinte er maximal fünf Jahre! Das wären dann doch über 700 Millionen USD pro Jahr, da wäre doch die Hälfte der Staatseinahmen für 5 Jahre nur dafür aufzuwenden?  Um eine Antwort sichtlich verlegen, sagte er, dass ja vieles davon privat finanziert würde und man auch internationale Investoren suche. Ich stelle mir gerade vor, wie internationale Banken ein Hochschulgebäude in der mongolischen Steppe finanzierten um dann im Gegenzug mongolische BWLer zu erhalten. Spaß beiseite, aber hier fühlte ich mich schon fast wie in einem Märchenfilm. Die Wohnhäuser für Studenten und Angestellte würden natürlich von privaten mongolischen Investoren errichtet, die sie dann vermieten könnten. Auf die Frage, wie hoch denn für einen gewöhnlichen mongolischen Studenten die Miete sein sollte, meinte er, natürlich nicht sehr hoch, kramte in seinem Gedächtnis und sagte dann was von zum Beispiel hunderttausend Tugrig, also 60 USD.

Da aber die Quadratmeterpreise für neuen Wohnraum  in Ulaanbaatar bei fast 2000 USD liegen, könnte man dafür ja kaum 5 Quadratmeter vermieten, wenn man noch ein paar Cent Gewinn machen will. Er reagierte auf diese Bedenken ziemlich genervt. Da es aussichtslos erschien, vom Chef ein paar wirklich fundierte Zahlen zu bekommen, fragte ich aus Höflichkeit noch nach ein paar Details zur Infrastruktur, also Verkehrsanbindung, Energieversorgung, Abwasserentsorgung was aber noch mehr in Leere lief, denn er verwies immer nur auf noch durchzuführende Untersuchungen, was aber in Anbetracht des geplanten Baubeginnes im Jahr 2102 nun schon beste Münchhausengeschichten in den Schatten gestellt hätte.

Ich dachte nun, dass nach der Wahl diese Projektidee dorthin gewandert wäre, wo sie hingehört, in die Mülltonne der phantastischen Wahlversprechen. Dort wo nun auch die Hochgeschwindigkeitsbahn nach Darchan, die Hightechmetro im Jahr 2017 oder die zahllosen anderen Legenden gelandet sind, nein, ich muss erschreckt feststellen, dass auf einer Veranstaltung in Berlin in den vergangenen Tagen dieses Projekt sogar noch eine Schwester bekommen hat, die eigene Vorstadt für die Regierung. Ganz nach dem Motto, den Politikern und Regierungsbeamten ist Ulaanbaatar nicht mehr zuzumuten. Diese neuerliche Vision wurde, zusammen mit der Studentenstadt, in einer Veranstaltung vor deutschen Unternehmern durch eine Delegation unter Führung des Oberbürgermeisters von Ulaanbaatar präsentiert. Machen wir es doch einfach umgedreht, wenn diese Leute UB nicht mehr ertragen wollen, dann kann doch besser die ganze Regierung auswandern. Eine Regierung sucht sich ein neues Land, indem es keine Jurtensiedlungen, kein Verkehrschaos, keine Luftverschmutzung und nur billige aber dennoch nicht arme Untertanen gibt. Für die Mongolei wäre es vielleicht die beste Lösung.

One Response to “Die aberwitzigen Bauprojekte aus UB”

  1. Kai sagt:

    Wie eine globalisierte Investorenwelt sich auf sehr traditionelle Gegenden dieser Erde auswirkt ist kein Geheimnis, aber jede einzelne Geschichte ist der Rede und das Lesen wert!

    Weiter so,

    Kai.

Leave a Reply

You must be logged in to post a comment.