Enchtaiwan Gudamsch August 2011
Das Jahr 2011 in Ulaanbaatar kann man wohl als ein Jahr im regelechten Bauwahn titulieren. Bauwahn und nicht Bauboom vor allem deshalb, weil es insgesamt ziemlich undurchdacht erscheint. Flächendeckend beherrschen Baukräne das Stadtbild. Es werden an allen Stellen Gebäude errichtet, Wohnhochhäuser, Bürotürme, Einkaufszentren und ganze Luxuswohnanlagen im Reihenhausstil. Die Aktivitäten sind damit ziemlich einseitig festgelegt, denn während im Straßenbau noch kleinere Projekte laufen, passiert nichts beim Ausbau der Versorgungsnetze der Abwasserentsorgung oder beim öffentlichen Nahverkehr, sozusagen den Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge. Es ist eigentlich kaum vorstellbar, dass die alten Heizkraftwerke in zwei, drei Jahren noch in der Lage sein werden, den um zehntausende Kubikmeter gebauten Raumes erweiterten Bestand an Wohnungen und Büros im Winter noch ausreichend mit Wärme versorgen zu können. Das das Trinkwasser abgesichert ist, ist auch eher eine Hoffnung der Planer als Gewissheit.
Kaum zum neuen Antlitz der Metropole mit über 100 m hohen Glasfassaden und top gestylten Einkaufszentren passt das Bild das das staatliche Straßennetz der Millionenstadt abgibt, Gehwege aus Schotter und Staub und wenn schon ausgebaut immer mit den UB typischen Stolperfallen aus fehlenden Gehwegplatten, herausragenden Schachtabdeckungen oder irgendwie herumstehenden Bordsteinen. So richtig Hammer wird die Fahrt über eine der Nebenstraßen in den sogenannten Jurtenvierteln, sei es nur wegen einer Umleitung. Schlamm, Staub und halbmetertiefe Löcher zeigen den ganzen Widerspruch der mongolischen Gesellschaft. Privater Wohlstand der teilweise schon absurde Züge annimmt und ein Staat der kaum zu existieren scheint. Ein schön illustriertes Beispiel dafür ist der Fußballplatz einer solchen Luxuswohnanlage, hochqualitativer Kunstrasen aus Europa und volles Flutlicht steht dort für die Freizeitkicker aus 100 Stadtrandvillen zur Verfügung, dem Nationalteam der Mongolei bleibt ein Acker mit Wiesenkräutern und Pfützen als Trainingsplatz.
Übrigens wird die Heizung der Luxuswohnanlage mit zweifelhafter Wärmedämmung ausschließlich über elektrische Fußbodenmatten sichergestellt. Für den Strom dazu hat man die 20 Kilometer lange Holzmastenleitung zur Innenstadt angezweigt, die im Winter dann wahrscheinlich selbst als Glühdrahtheizung wirken wird.
So beeindruckend das Baugeschehen in Ulaanbaatar auch sein mag, zur Zeit produziert es wohl mehr Probleme als es löst und die mongolische Verwaltung ist nicht gerade bekannt dafür, dass sie Probleme schnell, erfolgreich und effizient löst.
Wenn die Rechnung der privaten Investoren aufgeht und keine Finanzkrise oder andere Katastrophe die Mongolei erschüttert, wird sich der erste Anblick auf UBs Stadtkern wohl im Jahr 2015 kaum anders präsentieren als auf die anderen asiatischen Metropolen wie Seoul, Shanghai oder Peking, aber spätestens wenn man nach der U-Bahnstation sucht wird der Unterschied deutlich, in UB wird man dann in ein Landcruiser Taxi steigen müssen.