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Ulaanbaatar und der Verkehr

Dienstag, Dezember 24th, 2019

Das Thema Verkehr in Ulaanbaatar hatten wir schon mal im Jahr 2011, leider ist da nichts Grundsätzliches passiert, die Entwicklung ist nur weitergegangen. Weitergegangen bedeutet in dem Fall, es sind deutlich mehr Autos in der Stadt unterwegs, die PKW sind noch größer geworden, die Staus sind länger und die Busse gelten nach wie vor als hässliches Verkehrsmittel für die ärmeren Bewohner der Metropole. Das alles trotz riesiger Investitionen in das Hauptverkehrsstraßennetz. Es sind neue vier- und sechsspurige Trassen gelegt worden, die aus der Stadt herausführen sollen, es gibt Verkehrsknoten in 3 Ebenen und einige Hochstraßenabschnitte im Zentrum, die Anzahl an zusätzlichen Bewohnern und mehr Fahrzeugen haben aber alles das schon längst wieder aufgefressen. Das Grundproblem, die Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs ist nicht angepackt worden. Nach wie vor sind ziemlich unmoderne Busse der einzige Träger des öffentlichen Nahverkehrs. Meist stehen sie trotz gelegentlicher Busspuren genauso im Stau wie die SUV des Individualverkehrs, sie klappern, sind spartanisch ausgestattet, im Sommer heiß und im Winter kalt. Die Verantwortlichen in Regierung und Stadtverwaltung, palavern nach wie vor von einer sogenannten Vollmetro nach japanischem Vorbild für die Stadt und vergessen dabei wohl gelegentlich, dass Ulaanbaatar nicht Tokio ist. Im öffentlichen Nahverkehr will man hier eine Hochtechnologielösung und weil die Illusion ist, bleibt man halt auf dem Niveau einer zentralafrikanischen Stadt. Ein zaghafter Versuch eine S-Bahn aufzubauen ist leider auch kläglich gescheitert. Viel zu schwere Züge auf einer eingleisigen Strecke an der kaum einer wohnte, ein Trauerspiel diese Geschichte mit durchaus guter Absicht aber unglaublich viel Dilettantismus. Die einzig machbare Alternative, ein modernes oberirdisches System auf Schiene, also landläufig bezeichnet eine Straßenbahn, wurde von den Politgrößen in Stadt und Regierung immer als unangemessen abgetan und nie ernsthaft untersucht und das, obwohl die Voraussetzungen recht günstig sind. Die Hauptachse in Ost-West Richtung, die Enchtaiwan Straße, verfügt über weite Strecken über den Platz eine Gleislage in Mittellage separat vom Straßenverkehr zu führen. Im Bereich des unmittelbaren Stadtzentrums, südlich vom Suchebaatar Platz könnte man ohne großen Aufwand in offener Bauweise eine halben Kilometer Gleis unter der Erde verschwinden lassen und damit drei bis vier Kreuzungen egalisieren und eine attraktive Haltestelle unterirdisch anordnen. Alles machbar und in wenigen Jahren einsatzbereit. Elektrisch mit recht billigem Strom betrieben, würde man über kurz oder lang sogar Kosten gegenüber den Bussen mit alten Dieselmotoren sparen und wäre auch im Winter immer im Vorteil. Aber was machen die Verantwortlichen, sie stecken Geld und Zeit in Studien über Metrosysteme, lassen Hochstraßen bauen, die an einer Kreuzung enden, die sowieso schon immer überstaut ist und sorgen dafür, dass sich auch der letzte Bewohner dieser Stadt ein schrottreifes Importauto zulegen kann, zumindest tun sich nichts dagegen. Die PKW Kilometer pro Einwohner Quote ist so hoch wie kaum in einer anderen Millionenstadt dieser Erde und wer kein eigenes Auto hat gilt schon als abgehängt, obwohl Autofahren in UB schlechthin als krankmachender Stress gilt. Neulich konnte man es sogar hierzulande nachlesen, in einer internationalen Studie des Autoteilelieferers „Mister Auto“ belegt Ulaanbaatar Platz 2 der schlimmsten Städte für Autofahrer, weltweit, nach Mumbai. Die Versuche den PKW Verkehr etwas zu unterdrücken sind ebenso hilflos wie unsinnig. So muss man einmal pro Woche sein Auto für einen Tag stehen lassen, wann das ist entscheidet das Autokennzeichen, wer es sich leisten kann hat deshalb ein zweites Kennzeichen oder einfach noch ein Auto. In der Oberschicht kommt man dadurch wenigsten mal dazu alle Autos aus der Garage zu bewegen. Wem das alles nicht vergönnt ist, der ruft einen Bekannten an und der chauffiert einen dann doch noch dahin wo man hin wollte. Demnächst soll die KFZ Steuer dramatisch erhöht werden, vermutlich wird das aber kaum jemanden abhalten, die Sehnsucht ein eigenes Auto zu haben ist wohl zu stark ausgeprägt. In dieser Beziehung ist der Bewohner von UB auch eher ein Landei als urbane Elite. Das eigene Auto, als Ersatz für das eigene Pferd, muss vor oder unter dem Haus stehen, auch wenn es eigentlich enorme Kosten und gewaltigen Stress bedeutet. Selbst das Wohnen im zwanzigsten Stock eines Hochhauses im Zentrum hält davon nicht ab, obwohl es für den gemeinen Städter nur selten einen Grund gibt die Grenzen der Metropole zu verlassen. Die Verwandtschaft wohnt in der Regel auch da, geschäftlich spielt sich eh alles in der Hauptstadt ab und in Urlaub fliegen die meisten sowieso zu ferneren Zielen. Bleibt als eine der wenigen Gründe das gelegentliche Picknick am Wochenende im weiteren Umland. Fakt ist aber auch, dass der große Teil der Bewohner dieser Stadt erst dann auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen wird, wenn er diesen auch als moderne Alternative wahrnehmen kann. Davon sind die alten ungemütlichen Busse von denen man nie weiß wann sie überhaupt fahren, meilenweit entfernt. Wie eingangs erwähnt, der Beitrag von 2011 zum gleichen Thema wäre eigentlich kaum umzuschreiben gewesen, werden wir 8 Jahren das Thema nochmal aufgreifen, vermutlich wird man dann diesen Text wiederverwenden können. Sollten die Verantwortlichen doch noch zur Vernunft kommen und ihre japanischen Metro Phantasien zu Gunsten von ein paar Straßenbahnkilometern zumindest auf Eis legen, dann könnte es vielleicht doch noch klappen mit ein bischen mehr Lebensqualität für den Großteil der Bewohner dieser Stadt.