Archive for August, 2019

Der Hunnu Rock kommt

Mittwoch, August 28th, 2019
Im Sommer spielte The Hu auch auf großen Bühnen in Europa

Mongolischer Folk Rock ist seit Altan Urag, und das ist schon über zehn Jahre her, ein ernstzunehmendes Angebot. Selbst Altan Urag brachte es schon zu einer gewissen internationalen Popularität, was aber The Hu hier jetzt gelandet haben ist ein echter Cup. Mit zwei Videos im Angebot haben sie es bei Youtube zum Stand heute auf 40 Millionen Klicks gebracht, ohne je eine CD veröffentlicht zu haben. Sie standen schon bei insgesamt 20 Millionen Klicks, da hatte noch nicht mal ein ernsthaftes Konzert stattgefunden. Gut das mit den Konzerten sieht jetzt anders aus, eine Europatournee ging über etliche Länder und Stationen und die Nordamerika Tour ist für den Herbst angesagt.

Wie schafft man Millionen Klicks wenn man in Ulaanbaatar sitzt und für die meisten Mongolei und Rockmusik überhaupt keinen Sinn ergeben, vielleicht gerade deshalb? Verdient haben diese beiden Videos auf jeden Fall diese Popularität, aber auch die mongolische Folk Rock Szene überhaupt hat eine Qualität, die weit über ein nationales Interesse hinausgeht. Begonnen hat es wie schon gesagt mit Altan Urag und die sind auch eine der Wurzeln auf die sich The Hu berufen. Das was The Hu den Hunnu Rock bezeichnen, gab es schon in vielen Titeln von Altan Urag in ähnlicher Form. Andere haben es kopiert oder weiterverwendet, aber kommerzieller Erfolg war bisher keinem damit beschieden. Die Folk Rock Fangemeinde in der Mongolei ist sehr überschaubar und im Ausland googelte bislang kaum jemand nach diesen Schlagworten. Schade eigentlich, denn hätte er es getan wäre er bei Altan Urag gelandet und hätte damit auch schon etwas Besonderes geboten bekommen.

Die meisten Ausländer kannten Altan Urag sicher von einem der zahlreichen Live Auftritte in einer der Kneipen von UB. Dort spielte man meist so ein zwanzig Minuten Minikonzert, das aber schon erahnen lies, was in dieser Band wirklich steckt. The Hu sind es anders angegangen, zuerst wurden die besagten zwei Videos produziert und dann hat man diese recht professionell im Internet platziert. Es reichte, dass zwei, drei Kommentatoren sich die Videos als Reaction Video vornahmen und ihre Verwunderung darüber kundtaten, dass in der Mongolei Rockmusik produziert wird. Andere folgten und ratz fatz hatte man Klicks im Millionenbereich, was wiederum Musikjournale dazu veranlasste zu titeln, dass Rocker aus der Mongolei Millionen Views erzeugt hätten. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch schon eine Europatournee geplant und neue Titel waren in der Produktion. Das Management lag auch schon bei Profis in Europa und die Musikpresse hierzulande war eingebunden.

Nach einem kleinen Konzert zum warm Spielen in Berlin, war auch der erste große Knaller gleich das Doppelfestival Rock im Park und Rock am Ring. Hier ging das Publikum schon richtig mit und für viele schienen sie schon keine gänzlich Unbekannten mehr zu sein. Die nächsten großen Konzerte auf Festivals zum Beispiel in Belgien, Frankreich oder Tschechien liefen auch nicht schlecht und ehe man es sich versah, waren Videos von diesen Live Auftritten und weiteren bis dato unbekannten Titeln im Internet unterwegs. Die Ankündigung der ersten CD war dann vom Zeitpunkt her auch gut gewählt. Was macht aber diesen Sound für Leute auf der ganzen Welt so interessant? Die traditionelle mongolische Musik ist einfach so nahe an dem was man moderne Rockmusik nennen würde, dass eine Verbindung zu dieser überhaupt nicht schwer fällt. Der Obertongesang ist Hard Rock pur und die Pferdekopfgeige bringt den Crossover zur Perfektion.

Das die Band keine Eintagsfliege ist zeigt schon das dritte echte Video, zwischendurch kam mal mit „Shoog Shoog“ nur eine Vocal Version, also ein wieder recht aufwendig produziertes Video zu „Der große Dschingis Khan“. Eine halbe Million Views in 5 Tagen, das muss man erstmal hinbekommen. Die Titelseite des Musikmagazins SLAM sollte man auch noch erwähnen und die erste CD wird im September weltweit zu erhalten sein. Im Herbst des Jahres kommt dann eine wirklich große USA und Kanada Tour dazu. Bleibt zu wünschen, dass im Windschatten von The Hu auch das eine oder andere mongolische Musikprojekt den Zugang zum internationalen Markt bekommt, verdient hätten es einige.        

Versteppung, Überweidung, Ausbreitung der Wüste???

Dienstag, August 6th, 2019
vor ein paar Jahren war hier noch die typische Kurzgrassteppe vorherrschend

Die gängigen und allgegenwärtigen Klischees zur Mongolei betreffen nicht mehr nur die Lebensweise der Viehzüchter, als sozusagen die letzten Nomaden dieser Erde, sondern mittlerweile auch andere Bereiche des Lebens.

Persönlich halte ich nicht allzu viel von der Verbreitung der Mongoleiklischees, weil sie bei genauerem Hinsehen oft nicht zutreffen oder nur zu einem Teil die Realität abbilden. Das geht eigentlich schon bei dem zitierten letzten Nomaden los, der zum Beispiel im Changai zwei, dreimal im Verlaufe eines Jahres den Standort seiner Jurte wechselt und dabei kaum drei Kilometer zurücklegt, wohlgemerkt immer auf die gleichen Plätze die er schon seit Jahren dafür nutzt.

Das Klischee, das ich hier mal aufgreifen möchte, beschäftigt sich aber mit einem moderneren Problem. ein Thema in dem sozusagen der Zeitgeist dankbar immer wieder und oft medienwirksam die Überweidung, Versteppung oder gar die drohende Wüstenbildung in der Mongolei aufgreift. Ich habe lange überlegt, ob ich meine Beobachtungen dazu aufschreibe, gleichwohl es eben nicht die Beobachtungen sind, die die internationalen Medien so gern weiterkopieren und die auch in der Mongolei eifrig gepflegt werden und die sich so schön einbauen lassen, in die Geschichte der Zerstörung der Natur durch die Zivilisation. Natürlich können mich meine, zugegeben subjektiven Beobachtungen, auch täuschen und vielleicht gibt es auch Wissenschaftler, die sich jetzt tatsächlich entsetzen darüber, aber wenn man mal die Veröffentlichungen hernimmt, die diese Versteppung immer wieder beteuern, da wird auch einfach nur etwas behauptet, bzw. wird abgeschrieben, was jemand irgendwann gemeint hat. Insofern glaube ich meine eigenen Beobachtungen sind da  ein nicht viel schlechterer Beleg für eine Gegenthese.

Meine Eindrücke stützen sich dabei auf den Vergleich bestimmter Orte, die ich auf den Touren über die Jahre immer wieder besucht habe und auch auf den Vergleich von Fotos über die Jahre geschossen. Diese, so mein Eindruck, bestätigen die offizielle These nicht. Ich glaube auch, dass es objektive Gründe gibt, warum das eigentlich so pauschal nicht stimmt. Da ist zum einen das Sommerwetter der letzten Jahre, wir hatten noch vor 10 Jahren wenig Probleme mit aufgeweichten Pisten und Landregen im Juli und August, ich kann mich kaum an einen Regen früher erinnern, der mal einen ganzen Tag angedauert hätte, heute sind diese langsamen Regen, wie man sie in der Mongolei bezeichnet einfach mit im Programm und der Himmel ist wahrlich nicht immer blau. Ich glaube auch mich zu erinnern, dass man in den mittelgroßen Flüssen des Nordens und des Changai eigentlich fast immer Baden konnte, heute führen sie oft das etwas trübe Wasser  nach ergiebigen Regenfällen. Kurzum es scheint zumindest so, dass die Steppe in der zentralen und nördlichen Mongolei im Moment genug Niederschlag bekommt als das man eine akute Zunahme der Wüste befürchten müsste. In der Zone der Gebirgswaldsteppe, also im Changai, dem Khentij oder allgemein dem Norden, deutet alles auf eine Zunahme der Vegetation hin. Als ein Beispiel würde ich mal eine Beobachtung aus diesem Jahr bemühen. Im südlichen Changai, zwischen Zuunbayan Ulaan und Bat Ulzij, haben wir noch bis vor ein paar Jahren nördlich des Passes auf Kurzgraswiesen die Zeltplätze aufgeschlagen, heute stehen an der gleichen Stelle Edelweiß, Nelken, Trollblumen und andere teilweise bis kniehoch und an den Waldrändern breiten sich erste Büsche aus. Hier kommt zu den Niederschlägen und der geringeren Sonneneinstrahlung noch ein anderer wichtiger Fakt hinzu, die Jurten sind weiter talwärts gezogen, nicht viel, aber soweit, dass das Mobilfunknetz des Kreiszentrums erreichbar geworden ist und mit den Jurten sind auch die Bergwiesen nach unten gewandert. Die sichtbare Konzentration der Jurten hin zu Wegen und zur Mobilfunkabdeckung ist unübersehbar. Sie führt sicherlich wiederum zu einer Überlastung der Weideflächen in diesen Bereichen, aber demgegenüber steht eine weitaus größere Entlastung anderswo.

Eine gleiche Beobachtung habe ich oberhalb des „Orchon“- eigentlich Ulaan Gol, Wasserfalles gemacht. Etwa 15 Kilometer oberhalb, auf der nördlichen Seite des breiten Tales stehen heute auch keine Jurten mehr dauerhaft und die Bergwiesen sind ein Blumenteppich. 

Dort wo die reine Steppe und die Gebirgswaldsteppe um die Dominanz ringen, also etwa nördlich der Hauptstadt in Richtung Selenge oder auch an solchen kleinen Gebirgen wie dem Khugene Khaan, kann man eine andere Erscheinung feststellen, die Birken als Pionierpflanzen in den unteren und Randlagen sterben ab und Kiefern ersetzen sie.

Ich will an Hand dieser Beispiele keine komplette Gegenthese zur Versteppungstheorie aufstellen, aber ich bin eigentlich davon überzeugt, dass umgekehrt der Prozess der Wüstenbildung nicht wirklich stattfindet. Es macht sich natürlich ganz gut, wenn die Regierung demonstrativ ihren Kabinettstisch auf den Rand einer Sanddüne stellt und dort medienwirksam eine Sondersitzung vorführt in dem die Mongolei als Opfer der Klimaveränderung anklagt, aber mit der Realität hat das definitiv nichts zu tun zumal die wenigen Sanddünen in der Gobi eher das Produkt von Wind, Temperaturschwankungen und geologischen Prozessen sind und weniger was mit fehlenden Niederschlägen zu tun haben. Wenn in der derzeitigen Situation in der Mongolei Schäden an der Vegetation zu beklagen sind, dann weniger durch das Klima als vielmehr die punktuelle Überweidung, aber die kann man getrost als begrenztes Problem sehen, denn im Moment folgt der Konzentration von Vieh an der einen Stelle in der Regel der Rückzug aus entlegeneren Lagen und das Interesse der Viehalter die Bestände weiter zu erhöhen sinkt mittlerweile auch wieder, weil der Absatz stagniert, nicht zuletzt, weil Hühnchen bei KFC und Pizza ohne Hammelfleisch auskommen.